Oberhavel steht auf bei der SVV Hohen Neuendorf

Ein Besuch der Stadtverordnetenversammlungen im Landkreis stand schon lange auf unserem Plan. Einige von uns waren in Ihren Städten und Gemeinden diesbezüglich auch schon aktiv. Am 22.06.2021 waren dann die Hohen Neuendorfer dran. Und so machten wir uns zu viert auf den Weg in das Hohen Neuendorfer Rathaus. Hier unser Bericht. Eine Geschichte über leidenschaftliche Kontroversen, Scheuklappenmentalität und einer Frechheit.

Thomas, der Mutige

Thomas und Sandra waren fest entschlossen, das Wort zu ergreifen und den Stadtverordneten eine Stellungnahme zu verschiedenen Problemen der Corona-Krise abzuringen. Thomas stieg als Erster in den Ring.

Mutig bekannte er sich zur Bürgerinitiative „Oberhavel steht auf“ und fragte, warum Masken in der Schule getragen werden müssen, während Gaststätten weitgehend geöffnet sind. Masken bieten keinen Schutz und während man dem Arbeitsschutz entsprechend nach 75min. Maskentragen eine 30-minütige Pause einlegen muss, zwingt man Kinder über viele Stunden, sie zu tragen, so Thomas weiter. Abschließend berichtete er, dass an der Schule seiner Kinder auch schon Schüler mit verschimmelten Masken gesichtet wurden und resümierte, dass es sich hier ja wohl um einen klaren Fall von Misshandlung Schutzbefohlener handelt.

Die Antworten im Überblick

Die Antworten der Stadtverordneten zeigten eine erstaunlich hohe Übereinstimmung mit der jeweiligen Parteilinie. CDU und SPD fanden die Maßnahmen sinnvoll und vertrauen voll den Experten der Regierung einschl. dem RKI. Bedingungslos wird offenbar auch dem vertraut, was man aus den Nachrichten erfährt. Wen wundert es da noch, dass man auf kritische Positionen und Widerspruch von unserer Seite nur mit Unverständnis reagiert.

Auch die Vertreterin von Bündnis 90/Die Grünen befand, dass man gut durch die Pandemie gekommen sei. Der Vertreter des Stadtvereins wünschte sich an einigen Stellen sogar noch etwas weitergehende Maßnahmen.

Natürlich durfte auch der Verweis darauf nicht fehlen, dass man ja für die Maßnahmen nicht zuständig sei. Eine Haltung, der wir wohl in Zukunft noch öfter begegnen werden.

Hr. Lüdtke von der Linkspartei vertrat die Ansicht, dass es nicht richtig ist, dass Kinder und Jugendliche die größten Opfer bringen müssen. Der Vertreter der FDP sah angesichts der aktuellen Inzidenzwerte keine juristische Basis mehr für die aktuellen Grundrechtseinschränkungen und plädierte für das Testen und Impfen als wesentliche Bausteine im Maßnahmenkonzept.

Der Vertreter der AfD, Hr. Tschaut, beklagte, dass auf der Grundlage von „Expertenentscheidungen“ im In- und Ausland eine ganze Reihe von Fehlentscheidungen getroffen wurden, die mehr Schaden als Nutzen brachten. Ferner forderte er, doch wenigstens die Maskenpflicht für Kinder aufzuheben, besser auch für Erwachsene.

Sandra - couragiert und leidenschaftlich

Dann trat Sandra nach vorn ans Mikrofon. Couragiert und leidenschaftlich lieferte sie Fakten: 80% der Testpositiven sind nicht infektiös. Kinder müssen Unmenschliches aushalten. "Was tun Sie dagegen?", wollte sie von den Fraktionen der Stadtverordnetenversammlung wissen. Und sie forderte alle auf, sich selbst zu informieren anstatt "denen da oben" blind zu folgen, das sollten wir aus der Geschichte gelernt haben ...

Vorsicht Sandra! Das ist vermintes Terrain. Historische Vergleiche dieser Art werden nicht gern gehört. Man beansprucht für sich, es doch nur gut zu meinen. Trotzdem stelle ich mir die Frage, ob der rosa Elefant im Raum immer noch nicht groß genug ist. Muss er auch noch übel riechen und lautstark sämtliches Porzellan zerschlagen, um wahrgenommen zu werden?

Die Antworten im Überblick

Während Herr Alexy von der CDU nochmals die aktuell niedrigen Inzidenzwerte als Erfolg der Maßnahmen feierte, räumte Fr. Lindner von der SPD zumindest ein, dass es solche und solche Experten gebe. Diese Feststellung ist an sich schon bemerkenswert, denn in der Regel gelten die Experten der Regierung als sakrosankt, ihr Urteil als einhellige Auffassung "der Wissenschaft". Damit dieses Bild auch bloß keine Risse bekommt, wurde abweichenden Expertenmeinungen zu keiner Zeit in angemessener Weise öffentlicher Raum gegeben.

Herr Jirka von den Grünen beklagte, dass die Angst in der Bevölkerung dazu führt, dass sich Menschen nicht mehr begegnen und sieht voraus, dass die gesellschaftlichen Schäden in den kommenden Jahren gemeinsam behoben werden müssen. Ein guter Punkt, Herr Jirka! Daran lässt sich anknüpfen.

Auch Herr Lüdtke (Die Linke) beklagte die weit verbreitete Angst unter den Menschen, die mitunter zu absurdem Verhalten führt. Zum Umgang mit den PCR-Tests wollte er sich nicht festlegen, da er die Einschätzung ihrer Aussagekraft für schwierig hält. Unverständnis äußerte Herr Lüdtke auch über die Aussagekraft der Inzidenzwerte. Ein Hot Spot in einem Altersheim im Süden des Landkreises führt dazu,
dass die Menschen in Gransee das Haus nicht mehr verlassen dürfen.

Hr. Kay verwies darauf, dass ein positiver PCR-Test keine Diagnose darstellt sondern nur ein Hinweisgeber ist. Er sprach sich gegen eine Impfpflicht aus und verlangte, die Impfkampagne bei Kindern in Schulen zu unterlassen. Experten sollen kritischer hinterfragt werden.

Die Entgleisung des Herrn Erhardt-Maciejewski

Den Tiefpunkt des Abends setzte der Fraktionsvorsitzende der FDP, Herr Erhardt-Maciejewski . Nachdem er Sandra's Einschätzung zur Impfung und der pandemischen Lage nicht folgen wollte, warf er ihr folgenden Satz an den Kopf:

"Es gibt irgendwann Menschen ..., die haben so viel Meinung, da ist leider im Hirn kein Platz mehr für mehr Wissen."

Mit Tränen in den Augen wandte sich die zierliche Frau zu mir um: "Sag mal, hat der mich gerade beleidigt?". Nein, Sandra. Er hat nicht nur Dich beleidigt. Er hat uns alle beleidigt. Alle Menschen, die sich seit mehr als einem Jahr die Mühe machen, akribisch sämtliche Informationen zusammenzutragen, die ein für sie schlüssiges Bild ergeben, anstatt einfach die von Regierung und Massenmedien veröffentlichte Meinung zu übernehmen.

Es bleibt zu hoffen, dass Herr Erhardt-Maciejewski diesen Beitrag zum Anlass nimmt, seine Haltung noch einmal zu überdenken. Eine Entschuldigung wäre aus unser Sicht angebracht.

Schlimmer geht's nimmer? Doch!

Einen weiteren Tiefpunkt in der Sitzung bot dann Hr. Hoffmann von den Grünen. Den Antrag von Herrn Lüdtke, die Zeit für die Bürgerfragestunde auf 60 min. zu verlängern, wies er mit der Begründung zurück, dass man "Oberhavel steht auf" doch nun wohl genug Zeit eingeräumt hätte. Wichtig war ihm auch der Hinweis, dass wir schon länger aktiv sind und bekannt dafür seien, „sehr stark mit rechten Kräften zu sympathisieren, mit ihnen zusammen zu arbeiten“.

Offenbar ist Herrn Hoffmann entgangen, dass sich „Oberhavel steht auf“ als überparteilich versteht. Konkret bedeutet das, dass wir mit Konservativen genauso reden wie mit linken Kräften. Das bedeutet auch, dass wir grundsätzlich auch mit Ihnen reden würden, Hr. Hoffmann. Wie wär's, Hr. Hoffmann? Trauen Sie sich?

Zu gern wüsste ich von Herrn Hoffmann, was er eigentlich unter "politisch rechts" versteht. Angesichts eines inflationären Gebrauchs dieses Stigmas finde ich diese Frage mehr als gerechtfertigt.

Übrigens: der Antrag von Herrn Lüdtke auf Verlängerung der Bürgerfragerunde auf 1h (um 10min!!!) wurde mit 15 Nein-Stimmen, 13 Ja-Stimmen und einer Enthaltung abgelehnt. Auf den ersten Blick lieferte die SVV damit ein trauriges Bild über ihren Umgang mit den Bürgern ab. Aus gut informierten Kreisen erfuhren wir jedoch später, dass sich die SVV üblicher Weise einen rüden Umgang mit fragenden Bürgern leistet und das Abstimmungsergebnis in unserem Fall eher überraschend knapp ausfiel.

Und der Bürgermeister?

Auffällig unauffällig blieb der Bürgermeister in der gesamten Debatte. Als Mitglied der CDU-Fraktion war sein Beitrag nicht unbedingt gefordert, da dies der Fraktionsvorsitzende Hr. Hübner und sein Kollege Herr Alexy für ihn übernahmen. Trotzdem hätten sicher auch andere Bürger der Stadt gern gewusst, wo Herr Apelt eigentlich steht.

Das war's? Noch lange nicht!

Draußen auf dem Rathausplatz mussten wir das Geschehene erst einmal verdauen. Freundlicher Weise kamen Hr. Kay und Hr. Lüdtke dazu, die wir bereits vor einiger Zeit im Rahmen unserer Podiumsdiskussion „Pro & Contra Basisdemokratie“ kennengelernt hatten.

Etwas überraschend legte die SVV kurz darauf eine Pause ein und plötzlich standen wir mit den Stadtverordneten gemeinsam auf dem Rathausplatz. Sandra erfasste die Situation am schnellsten, lief zum Auto und kehrte mit einem Stapel Impfbroschüren der „Christen im Widerstand“ zurück.

Sogleich fing sie an, das Material unter den Stadtverordneten zu verteilen. Und siehe da, der Eine oder die Andere griff interessiert zu. Allerdings gab es auch Stadtverordnete, die die Annahme vehement verweigerten. War das eine Art von Selbstschutz? Bloß keine Informationen, die das eigene Weltbild ins Wanken bringen?
Auch ein weiteres Gespräch kam dabei zustande, wegen der zu Ende gehenden Pause leider nicht in der erforderlichen Gründlichkeit.

Ein weiteres Mal hatten wir das Gefühl, durch unsere Aktionen andere zum Nachdenken anzuregen und so gingen wir letztlich mit einem guten Gefühl nach Hause.

Text und Fotos: Jan M.

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